Eine Woche Kindergarten
Unsere Tochter ist nun seit gut einem Jahr im Kindergarten und Ende letzten Jahres war es dann soweit. Der Kindergartenfotograf meldete sich an. Als ich die Terminliste sah, bin ich fast vom Glauben abgefallen. Alle drei (!!! –> 3 <– !!!) Minuten ein anderes Kind.
Immer noch verdattert habe ich unsere Tochter in ihre Gruppe gebracht und mir den Aushang nochmals durchgelesen. Aber er hatte sich natürlich nicht geändert … In 3 Minuten habe ich dem Kind und den Eltern ja noch nicht einmal guten Tag gesagt und erklärt was ich jetzt gerne von ihnen hätte. Geschweige denn habe ich das Kind platziert und ein gutes Foto bekommen. Und was mache ich jetzt mit den Eltern und den besten Freunden? Diese sollten nämlich auch alle noch mit aufs Foto! Wie man sich denken kann, habe ich mich aus Prinzip nicht in diese Liste eingetragen. Sicherlich verstehe ich, dass nicht jeder die Zeit (und das Geld) hat, eine Woche in den Kindergarten zu gehen, um sich pro Tag einer Gruppe zu widmen, aber solche Fotos wollte ich dann doch nicht. So stand dann auch mein Ziel fest.
Da es Winter war und ich auch noch eine Menge andere Sachen um die Ohren hatte, schob ich das Projekt dann bis in den späten Frühling. So hatte ich auch noch etwas Zeit, mich ordentlich vorzubereiten, auf das was mich erwartet. Wie ich feststellen musste, war ich bei weitem nicht der Einzige, der ein Problem mit dem Standardkindergartenfotograf und den schrecklichen Mappen mit unnatürlich gestellten Bildern seiner Kinder hatte (u.a. hier und hier). Meist werden die eh schon unnatürlichen Fotos dann noch über eine Stapelverarbeitung mit Sepiatonung und Vignette verschlimmbessert. Meine Güte, es handelt sich hier um junge, quietschfidele Kinder. Die Fotos sollten hell, farbig und dynamisch sein und nicht wie das Foto meiner Urgroßeltern zu ihrem 50sten Hochzeitstag.
Nach Ostern stellte ich mein Anliegen schließlich dem Leiter des Kindergartens vor. Bis dato wusste auch niemand im Kindergarten, dass ich „fotografiere“. Aber ab diesem Zeitpunkt war ich dann nur noch „der Fotograf“, obwohl mein Diplom in Biologie eigentlich was anderes sagt ;). Der Leiter erzählte mir dann, dass man lange nach einem guten Fotografen Ausschau gehalten hatte und dann auch einen fand, der aber nun nicht mehr in Kindergärten fotografiert. Also ging die Suche von Neuem los. Der aktuelle Fotograf hatte wohl schöne Hintergründe und verzichte wohl zumindest auf arg schlimme Stapelverarbeitungen . Dies ändert aber nix an der Akkordarbeit, welches ein schönes Foto, das den Charakter des Kindes wiederspiegelt, nahezu unmöglich macht.
Ende April war es dann soweit, ich hing den Zettel mit den Informationen aus und die Listen zum Eintragen an die Pinwände der fünf Gruppen. Außerdem hatte ich vorab ein paar Probefotos gemacht, damit die Eltern eine Vorstellung bekamen, was sie erwarten würde.
Die Resonanz war sehr positiv und ich hatte am Ende gut 2/3 der Kinder in meinen Listen stehen. Das war mehr als ich gedacht habe. Denn Anfangs war ich noch skeptisch, ob es auch den Geschmack aller Eltern trifft und diese bereit dazu sind, dafür zu bezahlen.
Mein Ziel war es fünf gute Fotos von jedem Kind zu machen. Am Ende waren es im Schnitt ca. 50 Bilder pro Kind. Der Rekord liegt sogar bei 117 Bildern pro Kind. Da es noch eine Zirkusvorführung der Kinder gab, waren es schlussendlich gut 4.000 Fotos in meiner Woche im Kindergarten. Es war fünf lange Arbeitstage, an denen ich um 8 Uhr im Kindergarten war und meist erst um 24 Uhr oder später den Rechner ausgeschaltet habe, nachdem ich die Fotos nach Kindern sortiert habe und überprüft habe ob auch fünf gute Bilder dabei sind.
Es war eine sehr schöne Woche! Nicht immer war es einfach, aber es hat mir viel Spaß bereitet, die Kinder beim Rennen, Springen, Schaukeln, Basteln, Lego bauen oder beim Essen zu fotografieren. Nicht immer war ich nur Fotograf, oft war ich Schlichter wenn es darum ging wer jetzt mit dem Dreirad fahren darf, oder wer jetzt wen zuerst gehauen hat. Auch gab es jeden Tag mindestens ein Kind, welches mich mehr oder weniger den ganzen Tag begleitet hat und sehr an meiner Arbeit interessiert war oder einfach nur ganz viele Fotos von sich haben wollte :). Natürlich gab es auch einige Situationen, in der ich meine Kamera vor einer Sandwurfattacke oder einer Patschehand in Sicherheit bringen musst. Bei so einem Flohzirkus muss man das einfach einkalkulieren. Es gab aber auch Kinder die partout nicht vor die Kamera wollten und sich wegdrehten, sobald sie mich und die Kamera sahen. Aber dafür hatte ich ja mein Teleobjektiv im Gepäck ;).
Im Anschluss stand dann erstmal unser 2-wöchiger Familienurlaub auf dem Programm. Danach ging dann der Bearbeitungsmarathon los. Heraus kamen 325 zumeist wirklich schöne Kinderportraits. Einige davon wurde auch auf dem Sommerfest des Kindergartens ausgestellt. Da die meisten Eltern auch alle fünf Fotos inkl. Bilddatei gekauft haben, ist insgesamt eine beachtliche Summe zusammen kommen. Dieses habe ich dann in zwei neue Digitalkameras (1 mal rosa und 1mal blau) für den Kindergarten investiert und der Rest ging als Spende an den Förderverein des Kindergarten.
Eines Auszug der entstandenen Fotos könnt ihr hier sehen:
An dieser Stelle möchte ich mich nochmals beim KiTa-Leiter und seiner Kollegin/Vertreterin bedanken, die mich in dieser Woche und der Zeit danach mit allen Kräften unterstützt haben und ihren Kindergarten als Ausstellungsfläche zur Verfügung gestellt haben. Desweiteren bedanke ich mich bei den Eltern, welche mir die Freigaben für die Fotos ihrer Kinder gegeben haben.
Ein besonderen Dank möchte ich an dieser Stelle meiner Frau zukommen lassen, die in dieser Zeit sicher etwas zu kurz gekommen ist . Dennoch hat sie mir bei der Auswahl der Fotos geholfen. Nicht immer waren wir einer Meinung, da ich meist Fotos präferiert habe, welche vielleicht weniger geeignet für die Eltern gewesen wären. Wer möchte sein Kind schon herzzerreißend weinen sehen oder sehen, wie es traurig den anderen beim Spielen zusieht. Solche Bilder haben halt eher einen künstlerischen Wert, als einen für die Eltern – eine Gradwanderung eben. Aber bei sowas ist immer Verlass auf sie !
7 comments
Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen
Archive
- September 2017
- März 2017
- Februar 2017
- Januar 2017
- November 2016
- Juli 2016
- Mai 2016
- April 2016
- Februar 2016
- Januar 2016
- November 2015
- September 2015
- Juli 2015
- März 2015
- Januar 2015
- November 2014
- Oktober 2014
- September 2014
- August 2014
- Juli 2014
- Juni 2014
- Mai 2014
- April 2014
- Februar 2014
- Januar 2014
- November 2013
- Oktober 2013
- September 2013
- April 2013
- Januar 2013
- November 2012
- Oktober 2012
- September 2012
Wow, du hast dir ja noch mehr/ eine Wahnsinnsarbeit gemacht! 😉
Und mir gefallen die Fotos sehr gut, vielleicht gehe ich auch noch mal in den Kindergarten mit der Kamera. Neulich war der Fotograf wieder da. ich befürchte das schlimmste. Zumal auf dem Plakatflyer auf dem er sich ankündigte, nicht einmal der Name des Fotografen stand…
Danke, das ist schön zu hören!
Seit dieser Woche hängt wieder ein Zettel an der Pinnwand. Diesmal fährt er ein anderes Konzept. Er scheint nur Familienfotos machen zu wollen, allerdings konnte ich nicht so wirklich herausfinden, ob diese auch im bekannten Stil oder doch tatsächlich etwas moderner und natürlicher sein sollen.
BTW: wie bist du auf meinen Artikel gestoßen?
😉 Naja, du hast mich doch verlinkt. Schon vergessen?
Stimmt, und du bekommst ja eine Benachrichtigung … diese ganzen Einstellungen … nee nee
Hatte schon gedacht du hast einen super-mega-potenten Backlink-Analyser oder solch ein Spielzeug.
Hej,
schöner Artikel. Eindrucksvolle, wirklich tolle Fotos. Bin auf Dich und Heike gestoßen, weil ich gerade in eine Diskussion über KindergartenFotos „verstrickt“ gewesen bin.
Das Einzige, dass Ihr beide erwähnen solltet – so finde ich zumindest – ist, in welchem Verhältnis Euer zeitlicher Aufwand zu den Erlösen stand. Denn: Es gibt wirklich Fotografen, die davon leben müssen und leider zu wenig Eltern, die dies finanziell honorieren. – Ich hoffe, Du bist weiterhin der „Fotograf der Wahl“ in Eurem Kindergarten. Besser geht’s kaum.
@Henk: Hi!
Ich bin auch durch das selbe Problem auf Heike gestoßen und dann selber bei meiner Kleinen im Kindergarten gelandet 😉
Sagen wir es mal so, je nachdem was man so als Zielvorstellungen für sein Bankkonto am Ende des Monats hat, ist es mit einigen Optimierungen im Zeitplan und Ablauf (und weniger Perfektionismus in der Nachbearbeitung meinerseits) sicherlich möglich, damit auch das Einkommen zu bestreiten. Aber hat man so viele Kindergärten im Einzugsgebiet?
Ich überlege ob ich die Sache noch einmal in einem anderen Kindergarten durchziehe, aber diesmal mit Einnahmen ;). Danach kann ich vllt realistischer beurteilen wie viel übrig bleibt. Ich kann aber sagen, dass das Komplettpaket mit 20€ sehr gut gegangen ist. Bei ca. 50-60 Buchungen + ne Menge Einzelfotos kannst du ungefähr Hochrechnen was am Ende unterm Strich steht.